Ein sehr interessanter Workshop zum Thema nachhaltiger Tourismus in Kärnten hallt bei mir gerade nach. Eine kleine aber feine Runde – zusammengestellt vom IFZ in Graz – versuchte gestern Nachmittags den Ist-Zustand des Kärntner Tourismus in puncto Nachhaltigkeit mittels Konstellationsanalyse zu beschreiben. Wie immer wenn der Begriff Nachhaltigkeit im Spiel ist, kein leichtes Unterfangen.
Was ist nachhaltig und was nicht? Ist das schöne Lesachtal mit seinem entschleunigten Tourismus nachhaltiger als der Katschberg (Skigebiet) mit seinem Umfeld. Um darauf eine vorläufige Antwort geben zu können, möchte ich meine grandiose Erkenntnis der letzten Monate mit euch teilen: Es gibt nicht nur eine Wahrheit. Es gibt immer mehrere und die schließen sich gegenseitig nicht umbedingt aus. Je nach Definition und “Systemabgrenzung” ist sowohl der Katschberg als auch das Lesachtal nachhaltig. Also Schluss mit all den Diskussion über Nachhaltigkeit?
Im Workshop einigten wir uns vorerst auf das Vorhandensein meherer Wahrheiten und somit auch unterschiedlicher Nachhaltigkeiten. Innerlich arbeitete es jedoch weiter in mir, ich will nun einen Tag nach der Diskussion eine einfach argumentierbare Antwort finden. Mein nächster Versuch einer Antwort auf die Frage, wer denn nachhaltiger sei, fußt auf dem Begriff der Resilienz (Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen von Außen). Diversität, Modularität, Effizienz, Redundanz und Feedback sind die Gestaltungsprinzipien von Resilienz. Ich habe eine Vermutung welcher Kandidat diese Prinzipien besser erfüllt, aber ohne eine genaue zeitaufwändige Analyse komme ich auch hier nicht weiter. Wiederum geht es um das Problem der Systemabgrenzung, der Definition usw…
Ich gebe es zu, eigentlich suche ich nach einer Argumentationsschine, um dem Lesachtal mehr Nachhaltigkeit zu attestieren. Mir kommen die adaptiven Zyklen ins Gedächtnis.
Adaptive Zyklen, Quelle: http://www.resalliance.org/
Alles im Leben, ob in der Natur oder der Wirtschaft unterliegt einem Zyklus von Geburt (Alpha), Wachstum (r), Stagnation (K) und Verfall (Omega). Die vorläufig letzte Stufe des Verfalls öffnet den Raum für Neues. Womit wir Menschen uns nun schwer tun, ist den Verfall zuzulassen und die Geburt des Neuen zu befeueren und zu befeiern. Viele Kommentatoren bescheinigen unserer Gesellschaft, dass wir in der Stagnations- bzw. Erhaltungsphase verharren, in der Bestehendes beschützt und Neues unterdrückt wird. Ein System das derart erstarrt, ist biologisch tot, das System wird zu einem „accident waiting to happen“. Wieso das so ist, will ich im Moment nicht beurteilen. Ein wesentlicher Punkt scheint zu sein, dass wir Menschen als Wirtschaftsgemeinschaft sehr stark an Infrastruktur gebunden sind. Wir errichten Straßen, Seilbahnen, Kinos, Erlebnisparks, Einkaufszentren, Abwassersysteme usw. die wir auch erhalten wollen bzw. müssen. So flexibel und anpassungsfähig der Mensch sein mag, so wenig ist es die Infrastruktur und unsere Wirtschaft.
Ich möchte nun die Ausgangsfrage, wer denn nachhaltiger sei, mit dem “accident waiting to happen” verknüpfen. Was passiert wenn über steigenden Ressourcenpreise und/oder Verwerfungen auf den Finanzmärkten unsere Stagnationsphase mit dem Thema Verfall aufgelöst wird und wir uns zwangsweise dem Neuen widmen müssen. Ich denke hier an wirklich grundlegende strukturellen Veränderungen. Wer ist flexibler, wer hat mit mehr Altlasten im Sinne von nicht mehr nutzbarer Infrastruktur zu kämpfen. Eine andere Perspektive könnte aber auch darin liegen, Ressourcen aus dem Abbau der nicht mehr nutzbaren Infrastruktur gewinnen zu können? Fragen über Fragen und die Antwort auf meine Kernfrage scheint, nachdem sie zunächst näher kam, wieder in die Ferne zu entschwinden.
Ich wage einen letzten Versuch: Infrasturkturell gut ausgestattete Regionen (z.B. Skigebiete) verharren eventuell länger in der Stagnationsphase, bzw. der Verfall wird nicht zugelassen, sondern mit “more of the same” übersprungen. Eine nächste Wachstumsphase eingeleutet. Diese Regionen haben durch große Infrasturkturinvestitionen und damit verbundenen Touristenströmen einen Entwicklungspfad aufgebaut, den sie nicht so einfach verlassen können. Sie sind regional zu wichtig, es hängen zu viele daran, sie sind “too big to fail”.
Vielleicht habe ich nun den heiligen Gral der Nachhaltigkeit gefunden oder besser gesagt, nach all der akademischen Diskussion wieder ausgegeraben, wieder an die Oberfläche gebracht: Small is beautiful!?
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